

Zwanzig Jahre habe ich treu im Dienste der Stadtwerke Mühla-
cker meinen Job getan. Zuerst als Montagebus für die Gas- und
Wassermonteure und später als Transportfahrzeug für diverse
Rasenmäher, Motorsensen, Rechen oder Gabeln. Deshalb war
ich mir nie sicher, ob mein mir liebevoll zugewiesener Rufname
Mähbus oder Meeh-Bus war.
In den zwanzig Jahren sah ich alle Stadtteile von Mühlacker und
konnte meine Zuverlässigkeit während rund 190 000 Kilome-
tern unter Beweis stellen. Als dann mein Nachfolger auf dem
Betriebshof stand, war für mich kein Platz mehr in der Fahr-
zeughalle.
Zu meinem Glück plante ein Mitarbeiter der Stadtwerke ei-
ne längere USA-Reise und kam auf die Idee, mich mitzuneh-
men. Diese Idee war nur umzusetzen, weil in der Reisegrup-
pe ein Mitfahrer war, der sich dermaßen in mich verliebte, dass
er mich kaufte und die nötige Zeit mitbrachte, die nervenaufrei-
benden Formalitäten für meine USA-Einreise durchzustehen.
Übersee
Nachdem die Planung abgeschlossen war, wurde ich noch ei-
nem Eignungstest für die zu erwartenden Strapazen unterzo-
gen. Der Internist gab gleich sein o.k., Motor und Getriebe gal-
ten bei mir als unverwüstlich. Nur der Orthopäde hatte einige
Einwände. Meine Gelenke schienen doch etwas vom Zahn der
Zeit angegriffen zu sein.
Also erhielt ich neue
Traggelenke und Stoß-
dämpfer.
Dann ging es endlich
auf die große Reise. An-
fang März dieses Jah-
res wurde ich von mei-
nem neuen Besitzer im
Hamburger Hafen ab-
gegeben. Wegen Ge-
genwind musste ich vier
Tage länger als geplant
auf dem Atlantik im
dunklen Untergeschoss
eines Frachters verbrin-
gen. Doch die Freude
meines neuen Besitzers
Ausgemustert – aber als
OLDTIMER
noch ganz schön fit
Kommunalorange und mit den drei Logos der Stadtwerke Mühlacker quer durch
die USA.
war umso größer, als er mich rund vier Wochen später im
Hafen von Baltimore abholen konnte.
Nun ging es Schlag auf Schlag. Gleich raus aus dem dicht
besiedelten Osten in die Appalachen, vorfrühlingshaft kalt
und windig. Erste Schwarzbären sahen mich ebenso verwun-
dert an, wie ich sie, diese wohl noch halb im Winterschlaf.
In großen Tagesetappen ging es weiter Richtung Westen.
Zentren der Musikgeschichte besuchte ich in Nashville und
Memphis. Ein besonderes Highlight war das erste Aufnah-
mestudio von Elvis Presley und sein Wohn- und Sterbeort
Graceland.
Viva Las Vegas
Dann musste ich mich sputen, denn weitere Freunde meines
neuen Besitzers sollte ich in Las Vegas abholen. Also Über-
querung des Mississippis und des Arkansas River. Ich pas-
sierte das alte Indianerterritorium, heute Oklahoma, und Or-
te schlimmer Indianerkriege, immer wieder auf Resten der
legendären Route 66.
Die steilen Anstiege in die Rocky Mountains meisterte ich
mit Bravour im zweiten Gang, leider konnte ich es auch im
Windschatten nicht mit den über 500 PS starken Trucks auf-
nehmen. Nach der Überquerung des Colorado-Plateaus sa-
hen wir zum ersten Mal die Spiel- und Vergnügungsstadt Las
Vegas und nahmen weitere Personen mit viel Gepäck auf.
Somit war die Reisegruppe mit fünf Paddlern, Kajaks und
Ausrüstung komplett.
06.
07
Abenteuer